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Die Bundesvermögensverwaltung verwertet den ehemaligen Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes
Copyright Oberfinanzdirektion Koblenz -Bundesvermögensabteilung-

Am 9. Dezember 1997 faßte das Bundeskabinett den Beschluß, den bisherigen Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes aufzugeben. Diese Einrichtung hatte bis dahin den Zweck, allen Verfassungsorganen des Bundes im Krisen- oder Verteidigungsfall als gemeinsame Notunterkunft zu dienen. Durch die gemeinsame Unterbringung der Verfassungsorgane in dem umfassend geschützten Bauwerk sollte in einer solchen Situation die Handlungsfähigkeit der Staatsspitze gewährleistet bleiben. Zwischenzeitlich wurde die Bundesvermögensverwaltung mit der Verwertung der Liegenschaft beauftragt, die in ihrer Zusammensetzung und in ihrer Bauweise in der Bundesrepublik einmalig ist.

Die Historie
Etwa 1910 begann man im Ahrtal mit dem Bau einer neuen Eisenbahnlinie. Diese Eisenbahnlinie sollte den Weg nach Westen verkürzen, um im Kriegsfall möglichst schnell Truppen, Gerät und Nachschub in Richtung Frankreich transportieren zu können. Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 sah man damals Frankreich als
Erbfeind" und als ersten Gegner bei einem möglichen neuen Waffengang an. Für die neue Bahnstrecke wurde auch mit dem Bau eines ca. 3 km langen Tunnels begonnen, der etwa in der Mitte durch einen Taleinschnitt unterbrochen ist. Noch während sich die Bahnlinie im Bau befand, brach 1914 der Erste Weltkrieg aus. Dennoch gingen die Arbeiten an der Strecke und an dem Tunnel weiter. Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete aber auch für die neue Bahnlinie das Ende. Die Arbeiten wurden eingestellt, der Tunnel von den Franzosen teilweise gesprengt und unpassierbar gemacht. Im Zweiten Weltkrieg entsann man sich des Tunnels, um dort, geschützt vor den alliierten Luftangriffen, V1- und V2- Raketen zu montieren. Der Bahnbau wurde nicht wieder aufgegriffen. Nach Kriegsende wurde der Tunnel abermals in Teilen gesprengt. So sind dort niemals Züge gefahren. Auf der Trasse der unvollendet gebliebenen Bahnlinie verläuft heute teilweise die Autobahn A61.

Nach dem Beitritt zur NATO ergab sich dann Ende der 50er Jahre für die junge Bundesrepublik die Notwendigkeit, ein Schutzbauwerk für die Regierung und die übrigen Verfassungsorgane zu errichten. Schließlich entschloß man sich, dazu auf den stillgelegten Eisenbahntunnel im Ahrtal zurückzugreifen, weil die dortige Topographie verschiedene Vorteile für das Vorhaben bot. Insbesondere die bis zu 112 m mächtige Überdeckung des Tunnels durch Schiefergestein und die Weitläufigkeit der Röhre gewährleisteten den besten Schutz vor Angriffen aller Art, einschließlich möglicher Nuklearschläge. Die Längenausdehnung und ihre Untergliederung in autarke Abschnitte machten die Tunnelanlage zu einem Flächenziel, das nur schwierig anzugreifen und auszuschalten war. Zwischen 1960 und 1972 entstand so im Ahrtal der bisherige Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes. Neben der baulichen Gestaltung der Anlage ist auch die gemeinsame Krisenunterbringung aller Verfassungsorgane am gleichen Ort im internationalen Vergleich einzigartig. Bis zur Schließungsentscheidung unterlag das Bauwerk strengster Geheimhaltung.

Die Liegenschaft
Aus dem ehemaligen, etwa 3 km langen Eisenbahntunnel entstand der Hauptstollen des Bunkers. Der Taleinschnitt, der den Tunnel unterbricht, konnte im Bedarfsfall über einen unterirdischen Verbindungsgang überwunden werden, der in 60 m Tiefe unter dem Bodenniveau der Hauptstollen verläuft. Hinzu kommt eine Vielzahl von Nebenstollen, Fluchtgängen und Lüftungsschächten, die man ausgehend von der alten Bahntrasse vorgetrieben hat. Insgesamt erreicht das unterirdische Gangsystem eine Länge von 19 km. Die Anlage bietet unter Tage 83.000 m² Nutzfläche und umfaßt ein Volumen von 370.000 m³. Insgesamt gibt es 38 Verbindungsschächte sowie Notausgänge und Notausstiege nach draußen. Oberirdisch gehören zur Liegenschaft bundeseigene Grundstücksflächen von 19 ha.

Die beiden Tunnelabschnitte, mit Ost" und West" gekennzeichnet, sind ihrerseits unterteilt in insgesamt fünf autarke Bauteile". Im Anlagenteil Ost sind zwei dieser Bauteile eingerichtet, im Westen drei. In den Hauptstollen sind weitgehend Zwischendecken eingezogen. Insgesamt stehen im Erdgeschoß 897 Büro- und Konferenzräume mit 12.600 m² Fläche und im Obergeschoß 936 Schlafräume mit 13.000 m² Fläche sowie Waschräume zur Verfügung. Die Einrichtung ist sehr spartanisch. Die Büros und Arbeitsräume, die Unterkünfte und auch die Möblierung sind schlicht und nüchtern. So standen beispielsweise selbst für die höchsten Repräsentanten des Staates nur Feldbetten zur Verfügung. Am ehesten trifft der Vergleich mit einer großen, unterirdischen Kaserne zu.
Jeder der fünf selbstständig und unabhängig betriebsfähigen Bauteile verfügt über die gesamte Technik, die das Leben und Überleben in der Anlage ermöglichen sollte. Die Versorgungstechnik läßt sich anhand der klassischen vier Elemente Luft, Wasser, Feuer und Erde gut beschreiben.

Luft
Leistungsstarke Lüftungssysteme versorgen in Verbindung mit Klima- und Heizungsanlagen die Arbeits- und Unterkunftsbereiche. Die Luft wird dafür durch ein umfangreiches, durch den Berg getriebenes Röhrensystem über Außenbauwerke auf den Bergrücken angesaugt und später wieder abgeführt. Für den Fall einer Verseuchung der Außenwelt konnte die Anlage über Verschlußelemente, die Drücken von bis zu 30 bar standhalten, hermetisch abgeriegelt oder über Schutzfilter belüftet werden.

Wasser
In der Anlage wird aus eigenen Tiefbrunnen und Zisternen eigenes Trink- und Brauchwasser gewonnen. Es gibt keine Verbindung zum öffentlichen Netz. Das Abwasser hingegen wird nach außen in die öffentlichen Sammler abgeführt. Die Wasseraufbereitungsanlagen sind so konzipiert, daß auch bei einer Vollbelegung keine Ausfälle zu befürchten waren.

Feuer (oder elektrische Energie)
Im Normalbetrieb wird der Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen. Jeder Bauteil verfügt aber auch über eigene Netzersatzanlagen (Dieselgeneratoren) mit einer Leistung von bis zu 1.250 kVA. Für den Betrieb der Generatoren konnten bis zu 1.200 m³ Treibstoff bevorratet werden.

Erde (oder Nahrung)
In jedem der fünf Bauteile gibt es eine Großküche mit Speisesaal, in der täglich für 600 Personen drei Mahlzeiten zubereitet werden konnten.

Zur Liegenschaft gehört schließlich noch eine Reihe von Außenbauwerken: die Schutzbauten über den Zu- und Abluftschächten, die Notausgänge, die Antennenfelder oder die Außentanklager.

Auch die letzten Bestrebungen der Oberfinanzdirektion Koblenz, den ehemaligen Regierungsbunker im Ahrtal zu verwerten, brachten keine konkreten Ergebnisse. Der Bunker wird daher zurückgebaut und verschlossen. Das Kostenvolumen liegt nach aktuellen Ermittlungen bei 60 Millionen DM.